Benutzer:Stettberger/Blog:Ich, du, die Presse und die Wahrheit
Ich, du, die Presse und die Wahrheit
Plötzliche Desillusionierung ist wohl die schlimmste Art des Erkenntnisgewinnes. Ebenso ist es mir beim der Zensursula Debatte gegangen. Früher hatte ich die Illusion, dass wir eine relativ unabhängige Presse haben. Klar es gab da das große FeindBILD, die BILD, die auf alles draufhaut, was nicht der konservativen Linie entspricht. Das kannte man ja noch vom Geschichtsunterricht und den 68ern. Aber im großen und ganzen war ich der Meinung, dass die klassischen Medien wohl das meiste bringen, was irgendwie relevant ist. Auch war mir die pure Inkompetenz und Starrsinnigkeit mancher Politiker nicht in dem Maße bewusst, wie sie es mir jetzt ist.
Zu den Politikern: Da stellt sich doch tatsächlich eine Familienministerin hin, von der man in ihrer Amtszeit nicht viel, und wenn dann nichts gutes gehört hat, und versucht sich mit einer perfiden Methode ohne Rücksicht auf Verluste zu pushen. Denn da bereits die Erwähnung von Dokumentiertem Missbrauch (*) eine quasi instinkthafte Abwehrreaktion hervorruft, die jeden erstmal dazu bewegt einen Disclaimer am Anfang jeder Stellungnahme zu setzen, in dem versichert wird, dann man natürlich gegen dokumentieren Missbrauch vorgehen muss. Als wäre es breiter gesellschaftlicher Konsens so etwas zu tollerieren. Das perfide an der Strategie der Zensursula war, dass sie sich dachte, dass wohl niemand etwas dagegen sagen könne, wenn man gegen den dokumentierten Missbrauch vorgeht.
Als sie dann doch merkte, wenn die Frau überhaupt noch irgendetwas merkt, dass ihr aus dem Netz ein Gegenwind entgehen schlägt, obwohl sie doch ihre Superwaffe in Anschlag gebracht hat, stellt sie sich hin, und erzählt Lügen, rückt alle Technikversierten in die "Kinderfickerecke" und macht uns bei anderen Staaten unbeliebt. Kleiner Hinweis am Rande: Nein es ist nicht gut, wenn man ein fremdes Land beschuldigt keine Gesetze gegen dokumentieren Missbrauch zu haben, Indien zum Beispiel. Täte uns auch nicht gefallen, wenn Guatemala sowas behaupten würde. Dabei darf man aber auch die anderen Spitzenpolitiker nicht vergessen, die wohl auch maßgeblich beteiligt waren die Sau, naja gut die ganze Schweineherde, durchs Dorf zu treiben. Dies und das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten im Bundestag haben mir klar vor Augen geführt, was für Duckmäuser und Konformisten dieses Land regieren sollen. Da geht es nicht mehr um Verfassungstreue, da geht es nicht mehr um die Unabhängikeit des Mandates. Da geht es um Fraktionszwang (aka. Korruption), da geht es um das Waren des Gesichtes vor der Populärpresse. Da werden die Giftunterlagen gegen einen Parteikollegen genau dann rausgerückt, wenn es um die Position der Partei in der Frage geht. Habt ihr euch nie gefragt, wieso die Polizei Tauss genau in dem Meeting zum Zensurgesetz rausgeholt und die Hausdurchsuchung durchgeführt hat?
Das bringt mich zur Rolle der Presse in der ganzen Geschichte. Wieso gibt es keinen Seite 1 Artikel, wenn sich 134.014 Menschen in einer Online Petition gegen ein Gesetzesvorhaben aussprechen, dass von den meisten Experten als unnützes Machwerk gesehen wird und dazu noch schwere Gefährdungen der Bürgerrechte mit sich bringt. Wieso gibt es keine breite gesellschaftliche Diskussion, angeschürt durch die Presse, die sich als 4. Macht im Staate sieht, wenn die Beispielländer der von der Leyen, wenn es um Sperrlisten geht, sich doch gegen die Wirksamkeit der Maßnahmen aussprechen. Wieso gibt es keinen Leitartikel, wenn die Familienministerin öffentlich der Lüge in vielen Fällen überführt wird? Wieso kritisieren unsere Medien mit einem Elan die Zensurmaßnahmen in China und im Iran, schweigen unsere Zensur jedoch tot?
Es könnte um den Druck gehen, dass wenn eine Zeitung aus der Reihe tanzt und sich gegen die Maßnahme der Zensurlisten ausspricht, sie gleich von allen anderen Zeitungen gebashed wird. Quasi eine Art Gruppenzwang, der alle unterbewusst auf Linie hält. Es mag auch eine Abwehrreaktion der klassischen Medien sein, gegen das Internet, dass ja per se böse und unglaubwürdig ist. Zum Thema der Glaubwürdigkeit von Meldungen aus dem Netz: Klar, da ist viel Mist dabei, aber wer hat gesagt, dass alles was Zeitungen schreiben der Wahrheit entspricht? Ich sehe bei Blogartikeln sogar mehr Belegbarkeit von Aussagen, da es dort Common Sense ist Aussagen mit Links auf andere Seiten zu belegen. So etwas gibt es bei den klassischen Medien nicht, da wird geglaubt was gesendet wird. Diesen Vertrauensvorschuss haben sie meiner Meinung nach nicht verdient. Vorallem nicht nach den letzen Monaten.
Meine Konsequenzen sind für mich in Richtung der Medien inzwischen die, dass sich meine Mediennutzung verändert hat. Inzwischen höre ich bein Joggen viele Podcasts, wobei mir solche mit politischen bzw. gesellschaftlichen Diskussionen immer mehr gefallen. (z.B. Medienradio, TrackBack, NotSafeForWork (muss ja nicht alles trocken diskutiert werden), dieGesellschafter) Auch lese ich inzwischen viel mehr Blogeinträge, die hauptsächlich über Twitter/identi.ca reinkommen. Ich hätte gesagt, Zensursula hat es geschafft, wenn auch nicht ganz das was sie wollte, sie hat zu meiner Politisierung beigetragen.
(*) Nein ich werde den Kampfbegriff "Kinderpornographie" nicht verwenden, soweit es sich vermeiden lässt, da man damit die normale Pornographie diffamiert und in die selbe Ecke stellt, in der sie nichts verloren hat. Anders herum gesehen ist es eine Verharmlosung der Tatsache, wenn man Pornographie als ein normales Gesellschaftliche Phänomen ansieht.